Donnerstag, 28. Februar 2013

Ein Watchblog über Markus Grill, warum?

Ein Watchblog über den SPIEGEL-Redakteur Markus Grill - warum das? Grenzt das nicht an Blasphemie? Schließlich geht es hier um einen preisgekrönten investigativen Journalisten, dem von einer ebenfalls preisgekrönten Kollegin nachgesagt wird, „zu den besten investigativen Journalisten Deutschlands“ zu gehören, der zweiter Vorsitzender der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche und „Journalist des Jahres 2008“ (Medium Magazin) ist. Hinzu kommt: Ich habe Markus Grill nie persönlich kennengelernt und weiß von seinem journalistischen Schaffen auch nur relativ wenig. 
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Preise und Auszeichnungen laut Wikipedia

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Mein Motiv
Kann so ein informatives Blog über einen Journalisten entstehen, der laut Wikipedia bei der Badischen Zeitung volontierte, von 2003 bis 2008 als Reporter und Investigativjournalist beim Stern arbeitete und seit 2009 beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Themenschwerpunkt „Kranke Geschäfte“ verfolgt - wenn er nicht gerade im Netzwerk Recherche e.V., dessen zweiter Vorsitzender er (noch) ist, ehrenamtlich wirkt?

Große Stärken, aber auch große Schwächen
Lassen Sie mich erklären, warum solch ein Blog trotz meiner begrenzten biografischen Kenntnisse informativ und horizonterweiternd sein kann. Es gibt einige Themenkomplexe, mit denen ich mich intensiv beschäftigt habe und zu denen Markus Grill Beiträge verfasst hat, die meiner Meinung nach sehr viel über den „ganzen Markus Grill“ aussagen - wie er arbeitet, denkt, konzeptionell vorgeht, wo seine Stärken aber auch seine großen Schwächen liegen:

Markus Grill über Wolfgang Stock
Im September 2012 befragte ich den langjährigen Journalisten Prof. Wolfgang Stock (Interview: Teil 1, Teil 2) zu den Vorwürfen, die Markus Grill ein Jahr zuvor über ihn verbreitet hat. Es ging um Wiki-Watch und angebliche Wikipedia-Manipulationen zu Gunsten des „Pharmariesen Sanofi-Aventis“. In diesem Zusammenhang fielen mir in großem Umfang rufschädigende Darstellungen auf, die sich bei genauer Prüfung der Quellen als grob irreführend erwiesen. Juristisch sind die Aussagen jedoch nicht angreifbar, weil Markus Grill - so mein Eindruck - es in geradezu virtuoser Form versteht, die Möglichkeiten der Verdachtsberichterstattung und Meinungswiedergabe zu nutzen. Von solchen Stilelementen bis hin zu schmutzigen journalistischen Taschenspielertricks ist es meiner Meinung nach nicht weit.

Falls Sie nicht wissen, um wen es hier geht. Prof. Wolfgang Stock war Korrespondent der F.A.Z. in Bonn, leitender Redakteur der Berliner Zeitung, politischer Korrespondent des Nachrichtenmagazins Focus in Bonn und Berlin und geschäftsführender Redakteur der Welt am Sonntag. Er ist Initiator der Video-Podcasts von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ein erfahrener Journalist und alter Hase im Mediengeschäft könnte man meinen. 2011 erschienen im SPIEGEL und bei SPIEGEL ONLINE insgesamt drei Beiträge von Markus Grill, die ein naives, dummes Bild von Wolfgang Stock zeichneten, das – so mein spontaner Eindruck – nicht so recht zu seiner Vita passt.

Wikipedia-PR, ein Geschäftsmodell für Narren
Prof. Dr. Wolfgang Stock habe Wikipedia-Artikel zugunsten der Pharmaindustrie manipuliert und „zugunsten des Pharmariesen Sanofi-Aventis“ umgeschrieben. Wolfgang Stock habe „systematisch die Wikipedia-Artikel über den Pharmakonzern Sanofi-Aventis und sein Analoginsulin Lantus beschönigt“, so eine kleine Auswahl der Vorwürfe. Wer sich mit Wikipedia und Industriemarketing nur etwas auskennt, der weiß, dass „Wikipedia-PR“ die beste Möglichkeit ist, um in kürzester Zeit für ein kleines Taschengeld den eigenen Ruf komplett zu ruinieren, ohne dabei PR-technisch etwas zu erreichen. So etwas macht nur, wer von PR und Wikipedia keine Ahnung hat. Von Prof. Stock wusste ich jedoch aus Vorgesprächen beim Start von Wiki-Watch, dass er das Innenleben der deutschen Wikipedia-Szene ziemlich gut kennt.

Dubiose Quelle, schlampiges Fact-Checking
Dazu muss man wissen, dass der Kampf gegen Wikipedia-Manipulation ein identitätsstiftendes Kulturelement speziell innerhalb der deutschen Wikipedia-Community ist und auch dem Zweck dient, sich wichtig zu machen oder eigene Manipulationen zu kaschieren. Dr. Marius Beyersdorff hat die teils subversive und manipulative Subkultur bei Wikipedia Deutschland in seiner Dissertation „Wer definiert Wissen?“ akribisch dokumentiert. Das anonyme (!) Internet-Pamphlet, welches die Quelle der Prof. Stock betreffenden vielen falschen Unterstellungen ist, stammt aus dieser Szene und war mir daher von Anfang an suspekt. Markus Grill hat dessen Behauptungen meiner Meinung nach ohne ausreichende und nur nach flüchtiger Prüfung voreilig übernommen und verbreitet. Vieles deutet für mich darauf hin, dass es ihm in erster Linie darum ging, eine offene Rechnung zu begleichen, Prof. Stocks Beschwerde beim Presserat wegen seines reißerischen Artikels „Dünger für Krebszellen“, die ich noch ausführlich analysieren werde (Nachtrag -> „Untergang einer WIdo-IQWiG-Studie“).

Markus Grill behauptet viel und beweist sehr wenig
In einem bei SPIEGEL ONLINE veröffentlichten Video (→ Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia) sagt Markus Grill: „Wenn man die Geschichte von Wolfgang Stock und dem Projekt Wiki-Watch verstehen will, muss man ins Internet gehen und nachvollziehen wo Stock und Wiki-Watch aktiv waren.“ Diesen Rat habe ich mir – noch vor meinem Interview mit Wolfgang Stock – zu Herzen genommen.

Die Ergebnisse meiner Recherche sind hochgradig peinlich - für Markus Grill. Wer meine Kritik nachvollziehen will, dem empfehle ich, alle in meinem Interview mit Wolfgang Stock (Teil 1, Teil 2) angegebenen und verlinkten Quellen zu sichten und sorgfältig zu prüfen. Die Fakten sprechen für sich.

Nachtrag vom 15.10.2013:
Sie erreichen jetzt alle Quellen und Ergebnisse meines sehr ausführlichen Faktenckecks über den Blogbeitrag: „Was Markus Grill bei Twitter über Wolfgang Stock schreibt ... und was er verschweigt. Indizien für eine vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit.“ 

Markus Grill über Jobst Spengemann
Noch während meiner Wolfgang Stock betreffenden Recherchen erfuhr ich von einem Rechtsstreit zwischen dem Journalisten Jobst Spengemann und dem SPIEGEL-Verlag (Az. 10 U 132/12). Jobst Spengemann wehrt sich juristisch gegen Aussagen des Artikels „Mal PR-Agent, mal Reporter“. Siehe hierzu auch: Der 22. April 2013, 12.00 Uhr, ein wichtiger Termin für SPIEGEL-Redakteur Markus Grill.

Was mir über diesen Markus Grill betreffenden Rechtsstreit bisher an Informationen, Dokumenten und Schriftsätzen vorliegt, finde ich so dummdreist und skandalös, dass ich mich spontan dazu entschlossen habe, alle Ergebnisse meiner Markus Grill betreffenden Recherchen in einem separaten Blog zu bündeln. Die Causa „Grill/Spengemann“ soll dabei ausführlich untersucht und aufgearbeitet werden. Wenn sich Markus Grill durch meine Worte falsch dargestellt und zu Unrecht in ein schlechtes Licht gestellt sieht, dann empfehle ich ihm, alle Schriftsätze und Urteile seines Rechtsstreits mit Jobst Spengemann ins Internet zu stellen und öffentlich zu machen. Dort, wo Persönlichkeitsrechte dritter Personen berührt werden, können die Dokumente ja anonymisiert werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er diesen Schritt wagt.

Nachtrag vom 15.010.2013:
Indizien für eine Verleumdung (§187 StGB) von Jobst Spengemann durch Markus Grill am 07.03.2013 im SPIEGELblog.

ZDF-Meldung: „Der SPIEGEL verlor den Rechtsstreit gegen den Frontal21-Autor Jobst Spengemann in allen Punkten.“ 

Kein Thema: SPIEGEL & Co.
Ich lege großen Wert auf die Feststellung, dass weder das Magazin DER SPIEGEL, noch SPIEGEL ONLINE, noch Co-Autoren von Markus Grill wie z. B. Martin U. Müller oder Veronika Hackenbroch Gegenstand meiner schwerwiegenden und grundsätzlichen Kritik sind, auch wenn sie in diesem Blog erwähnt werden. Es gibt von Veronika Hackenbroch, nur als Beispiel, meiner Meinung nach exzellente und horizonterweiternde Beiträge wie z. B. ihr Interview mit Tom Jefferson. An ihren Artikeln habe ich mich immer nur dann gerieben, wenn sie wie im Falle „Dünger für Krebszellen“ oder „Der große Schüttelfrust“ Co-Autorin von Markus Grill war. Eine ganze Reihe von Journalisten, mit denen ich mich im Laufe der letzten zwei Jahre ausgestauscht habe, sehen das ähnlich.

+ + + Nachtrag vom 09.01.2014: + + +
Nach vielen Monaten intensiver und akribischer Recherche betrachte ich die in diesem Blog geschilderten Kritikpunkte und Missstände inzwischen als Systemproblem der SPIEGEL-Chefredaktion, welches - so mein persönlicher Eindruck - auch nach dem Wechsel in der SPIEGEL-Chefredaktion im September 2013 noch fortbesteht. Siehe hierzu folgende ausführliche Analyse:

(Journalistische) Welt im Wandel: Kannibalismus an der Ericusspitze und Erkenntnisse aus der SPIEGEL-Krise.

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Journalismus-Kritik kannt riskant sein
Mir ist bewusst, wie riskant solch ein Blog sein kann. Als ich 2011 mein Blogprojekt CAM Media.Watch begonnen hatte, in dem Kritik an der Arbeit von Markus Grill bereits ein Thema war, warnten mich Freunde, dass die Luft für mich im übertragenen Sinne „bleihaltig“ werden könnte. Und tatsächlich, schon nach relativ kurzer Zeit erschien der SZ-Artikel „Die schmutzigen Methoden der sanften Medizin“ von einem Jens Lubbadeh, der „Enthüllungen“ zu meiner Person preiszugeben vorgab, sich jedoch durch einige interessante Besonderheiten auszeichnete:

1. Zufall? Drei Mal das gleiche Muster:
Ich werde in einer diskreditierenden Weise dargestellt, die der Darstellung von Prof. Dr. Wolfgang Stock und Jobst Spengemann erstaunlich ähnelt. Das Muster: Industrie bezahlt Schreiberling, damit er Industrieziele verfolgt. Alarm! Ob die aufgestellten Behauptungen auch tatsächlich stimmen, das spielt bei solchen Artikeln keine große Rolle. Es reicht, dass der Verdacht in einem Medium wie der Süddeutschen Zeitung einfach nur geäußert wird.

2. Cui bono? Wenn Journalisten profitieren:
Nutznießer des Artikels ist meiner Meinung nach Markus Grill (übrigens auch Werner Bartens, Leiter des SZ-Wissenschaftsressorts), weil Kritik an einem Journalisten oder an einer Redaktion leichter abperlt, wenn der Kritiker im Gegenzug massiv angegriffen wird. Angriff ist im journalistischen Dschungelkrieg scheinbar die beste Verteidigung - kann Kritiker allerdings auch aufwerten und so zum Bumerang werden.

3. Zufall? Autor und „Nutznießer kennen sich:
Jens Lubbadeh und Markus Grill kennen sich. Sie haben beide in den Redaktionen von Stern und SPIEGEL-Verlag gearbeitet. Was für eine Verkettung seltener Umstände: Markus Grill profitiert von der Arbeit eines ehemaligen Kollegen, der selbst praktiziert, was er mir vorwirft: hinterfragungswürdige Methoden, wie ich in meiner Replik schwarz auf weiß belegen konnte. Dass an dem Artikel von Jens Lubbadeh irgend etwas faul ist, darauf deutet meiner Meinung nach auch eine Übersetzung in die englische Sprache hin, die sich (wie ungewöhnlich) auf seiner privaten Homepage befindet: http://www.lubbadeh.de/art_sz.html. Kam der Auftrag dazu auch aus der SZ-Redaktion? Oder aus der SPIEGEL ONLINE-Redaktion, wo der Artikel nach Angaben von Jens Lubbadeh (in einer frühen E-Mail-Anfrage) ursprünglich einmal erscheinen sollte? Wer hat diese „Geschichte“ initiiert?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Markus Grill - aus seiner Sicht - ehrenwerte Absichten hat und seine journalistische Arbeit trotz der von mir wahrgenommenen Tendenz zur Simplifizierung, Polarisierung und Schwarzweißmalerei auch viele positive Seiten hat. In diesem Blog geht es mir nur um jene Aspekte, die hart aber fair aufgearbeitet gehören - ganz im Sinne der an folgender Stelle aufgelisteten Blog-Grundwerte.
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