Donnerstag, 21. März 2013

„Kranke Geschäfte“: zwei Rezensionen des Deutschlandradios, Markus Grills Verhältnis zu Peter Sawicki und viele offene Fragen!

Dass es in der Pharmabranche in zu vielen Fällen zunächst einmal um das Wohl der Unternehmen und erst dann um das Wohl der Patienten geht, das dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Es gehört zu den Verdiensten von Journalisten wie Markus Grill („Kranke Geschäfte“) oder Caroline Walter und Alexander Kobylinski („Patient im Visier“) hier in der Öffentlichkeit für einen überfälligen Sinneswandel gesorgt zu haben. Noch nicht genug herumgesprochen hat sich, dass es auch „kranken Journalismus“ gibt - man verzeihe mir diese Analogie - und dass nicht immer klar erkennbar ist, ob echte oder nur herbeigeschriebene Skandale für Transparenz sorgen oder primär Auflage und Profit der Verlage steigern sollen (siehe z. B. „Stern.de ist im Himmelreich“, W&V). Wie wichtig es ist, auch investigative Journalisten zu hinterfragen, das zeigt eine schon ältere Buchrezension des Deutschlandradios, die angesichts neuer Erkenntnisse aus dem Rechtsstreit zwischen SPIEGEL-Verlag und Jobst Spengemann wieder an Aktualität gewinnt.
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Ein Buch, zwei Rezensionen:
„Selektion ist der große Bruder des Totschlagarguments“, schreibe ich hier im Blog in einem Beitrag, der erläutert, wodurch sich eine „einseitige und/oder verzerrte Darstellung von Fakten“ bzw. Medienmanipulation auszeichnen. Um nicht Wasser zu predigen und Wein zu trinken, weise ich darauf hin, dass es auf der Webseite des Deutschlandradios gleich zwei Rezensionen zu Markus Grills Buch „Kranke Geschäfte“ gibt:

Johannes Kaiser verfasste eine wohlwollende Rezension, „Betrug am Patienten“ (Deutschlandradio Kultur, 10.09.2007), die Markus Grill nicht nur auf voller Linie zustimmt sondern auch seine Pauschalisierungen und teils überdehnten Begriffe übernimmt. Schreibt Johannes Kaiser von den „Lügen der Pharmaindustrie“, so gibt er damit vielleicht seine Gefühle beim Verfassen der Rezension exakt wieder („wütend“). In Hinblick auf die Themen des Buches ist seine Umschreibung jedoch in etwa so präzise wie die Killerphrase „die Lügen der Journalisten“.

Birgid Becker verfasste eine konstruktiv kritische Rezension, „Berichte aus der Pharma-Welt“ (Deutschlandfunk, 10.09.2007), die Markus Grills Leistungen würdigt, sich die Inhalte seines Buches jedoch nicht einfach gutgläubig zu eigen macht. Beachtenswert an ihrer Rezension finde ich nicht, dass sie kritisch ist, sondern dass sie sich, so mein Eindruck, gerade mit dem Kleingedruckten und den Details sehr sorgfältig auseinandergesetzt hat.

Smarter Journalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er Lesern pluralistische Informationen anbietet, kontroverse Diskussionen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, es zum Schluss jedoch allein den Lesern überlässt, welche Meinung sie sich bilden. Wie so etwas geht, das hat das Deutschlandradio hier sehr schön demonstriert.
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Bisher zu wenig beachtet: Markus Grills „journalistisches“ Verhältnis zu Ex-IQWiG-Chef Peter Sawicki
Ein Thema, welches in beiden (aus dem Jahr 2007 stammenden) Rezensionen nur am Rande erwähnt wird, erfordert mehr öffentliche Aufmerksamkeit, weil es hierzu wichtige neue Erkenntnisse und eine Reihe offener Fragen gibt.

Johannes Kaiser schreibt: „Kein Wunder, dass die Industrie gegen eine neue Einrichtung des Bundes zu Felde zieht, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, das genau solche Wirksamkeitsüberprüfungen vornimmt und dann Empfehlungen für die Krankenkassen abgibt, auch zum Preis-Leistungsverhältnis.“

Birgid Becker erläutert, warum ein erheblicher Teil des „Skandal-Hypes“ historischen Charakter hat, jedoch nicht mehr so sehr die Gegenwart betrifft: „Es gibt die neuen Rabattverträge, mit denen die Krankenkassen die Umsätze einzelner Hersteller in den Keller schickten; es gibt auch das auch von Markus Grill hochgeschätzte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, das künftig eben genau das tun wird, was der pharmakritische Autor vermisst: Es wird Arzneimittel streng nach deren Verhältnis von Kosten und Nutzen bewerten.“

Markus Grill und Peter Sawicki, ein besonderes Verhältnis ...
Je nach Blickwinkel ist hier einmal von einem IQWiG die Rede, mit dem „die Industrie“ Krieg zu führen scheint bzw. welches auch von Markus Grill „hochgeschätzt“ wird. Was auch immer Markus Grill als Stern- und SPIEGEL-Redakteur über das IQWiG geschrieben und über IQWiG-Kritiker behauptet hat, es ist es wert, nochmals sorgfältig hinterfragt und überprüft zu werden. Denn es gibt neue Erkenntnisse. Beispielsweise jene des Kammergerichts Berlin aus dem Rechtsstreit SPIEGEL-Verlag u.a. gegen Jobst Spengemann.
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Markus Grill & Peter Sawicki: Indizien für journalistischen Lobbyismus
Das Verhältnis von Markus Grill zum früheren IQWiG-Chef Peter Sawicki gehört auf den Prüfstand. Der Grund: Ich sehe bei Markus Grill deutliche Indizien für ziemlich dreisten journalistischen Lobbyismus in eigener Sache und einen Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Pflicht zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit). In meinem Blogbeitrag ...

Schwarzweißmalerei und der Vorwurf des Günstlingsjournalismus, dokumentiert am Beispiel Peter Sawicki (ehemals IQWiG-Chef). 

... habe ich - zunächst nur stichprobenartig - deutlich gemacht, dass Markus Grill genügend Anlässe gehabt hätte, Peter Sawicki kritisch zu hinterfragen und mit den gleichen Maßstäben zu bewerten, mit denen er „die Pharmaindustrie“ bewertet hat. Peter Sawicki hat m. E. eine Reihe von Verhaltensweisen gezeigt, die ich als „auftraggeber-konformes Verhalten“ interpretiere und die Markus Grill hätte transparent machen müssen. Hierzu zähle ich beispielsweise eine von der Berlin-Chemie finanzierte Pilotstudie, die im Journal of Hypertension unter der IQWiG-Adresse veröffentlicht wurde und eine Schlussfolgerung zu Gunsten des Auftraggebers enthält, obwohl die Bewertungsbasis aus nur 10 Patienten bestand. Warum hat Markus Grill solche Auffälligkeiten nicht thematisiert?

Für mich hat sich inzwischen der Eindruck gefestigt, dass Markus Grill bei Peter Sawicki betreffenden „auffälligen“ Sachverhalten nicht nur nicht richtig hingeschaut hat, sondern, was ich noch viel schlimmer finde, Journalisten trotz gut begründeter Sawicki-Kritik mit unlauteren Methoden aktiv bekämpft hat. So interpretiere ich die Beiträge, die Grill im Magazin DER SPIEGEL bzw. bei SPIEGEL ONLINE über Prof. Wolfgang Stock und Jobst Spengemann publiziert hat. In beiden Fällen halten rufschädigende Aussagen und/oder der von Grill vermittelte Eindruck einem Faktencheck nicht stand und Markus Grills Replik zu diesem Blog beweist, dass er bis heute nicht bereit ist, für sein Verhalten Verantwortung zu übernehmen. Nebelkerzen werden ihm jedoch nicht helfen.
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Der Grill-Spengemann-Prozess wird bisher Verborgenes ans Licht bringen.
Der besondere Wert des Rechtsstreits zwischen Markus Grill und Jobst Spengemann liegt u.a. darin, dass Markus Grills Behauptungen über einen Journalisten, der Peter Sawicki sachlich und gut begründet kritisiert hat, der sich in ehrlicher - und gerade nicht in denunzierender und/oder lobbyistischer - Absicht an Markus Grill gewandt hat, über fast zwei Jahre und über mehrere Instanzen hinweg von Gerichten untersucht wurden. Verkündet das Kammergericht Berlin am 22. April 2013 um 12:00 Uhr nun ein Urteil zuungunsten der SPIEGEL-Seite, wie in der Verhandlung am 25.02.2013 angedeutet, dann muss Markus Grill (nach Klärung der Revisionsfrage, die m. E. à la Berlusconi nur der Zeitverzögerung nicht jedoch der Aufarbeitung bereits eindeutig geklärter Fragen dienen wird) nicht nur mit einem Schadensersatzprozess rechnen. Die Brisanz dieses Prozesses liegt meiner Meinung nach besonders in all dem, was in dem fast zweijährigen Rechtsstreit über Markus Grill und Jobst Spengemanns Kritik an Peter Sawicki untersucht und aufgeklärt wurde. Liegt das Urteil des Kammergerichts Berlin vor, so muss eine Frage dringend untersucht werden. Und zwar die, ob Markus Grill möglicherweise berechtigte Kritik an einem ihm nahestehenden Experten mit unlauteren Methoden unterdrückt hat oder nicht. Was auch immer Markus Grill und das Kammergericht Berlin diesbezüglich mitteilen werden, es kann die berufliche Zukunft des SPIEGEL-Redakteurs maßgeblich beeinflussen - positiv und negativ.

Hat Markus Grill nichts zu verbergen, dann sollte und dann muss er alle Schriftsätze und Urteile seines Rechtsstreits mit Jobst Spengemann ins Internet stellen und damit öffentlich zugänglich machen.



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