Montag, 11. März 2013

Faktencheck: Markus Grills Behauptungen über Wolfgang Stock und Wiki-Watch auf dem Prüfstand. (Teil 1) #Medienmanipulation

Im Sommer 2011 berichteten SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE in insgesamt fünf Beiträgen (1) (2) (3) (4) (5) über angebliche „Manipulation“ und angebliches Fehlverhalten des langjährigen Journalisten Prof. Dr. Wolfgang Stock im Zusammenhang mit Wikipedia und dem Projekt Wiki-Watch. Drei Beiträge stammten von Markus Grill. Wer seine Artikel heute bei SPIEGEL ONLINE liest, der erfährt dort nicht, dass der von ihm vermittelte Eindruck schon längst widerlegt ist, dass die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) die „von diversen Medien“ erhobenen Vorwürfe geprüft und als „nachweislich falsch“ eingestuft hat (6), dass Prof. Stock eine Gegendarstellung (7) durchsetzen konnte und wie Prof. Stock die Vorwürfe in einem Interview kommentierte (8) (9). Das und viel mehr erfahren SPIEGEL-Leser in diesem Blog.
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Abbildung: „Wir bleiben im Hintergrund“ (SPIEGEL 28/2011). Auch Markus Grills anonyme Wikipedia-„Informanten“ und ihre politischen Motive blieben im Hintergrund.

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Nachtrag vom 14.05.2013:
Indizien für eine vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit im Fall Prof. Wolfgang Stock. Markus Grill weicht allen fünf Fragen aus (!) und gerät so in große Erklärungsnot. 
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Historie: die bisherige Beiträge
Zu diesem Themenkomplex (Markus Grill über Prof. Stock und Wiki-Watch) gibt es Informationen, die bereits hier im Blog und an anderer Stelle veröffentlicht wurden. Weil es sich um einen sehr interessanten und spannenden Faktencheck handelt, fasse ich die Historie zusammen, bevor ich mit meiner Dokumentation beginne. Bisherige Beiträge:
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1. Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Stock. Über Wiki-Watch, Markus Grill und gewagte Verdachtsberichterstattung, CAM Media.Watch, 03.09.2012
In diesem Interview erläutert, begründet und dokumentiert Prof. Stock, warum der von Markus Grill in drei Beiträgen zu seiner Person vermittelte Eindruck in zentralen Punkten grob irreführend und nicht plausibel ist.
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2. Markus Grill über Wiki-Watch und Wolfgang Stock: Eine phantastische Geschichte, die einem Faktencheck leider nicht standhält, Faktencheck „Markus Grill“, 07.03.2013
In diesem Blogbeitrag erläutere ich Ihnen, was unmittelbar vor den Medienberichten zu Wiki-Watch und Prof. Stock geschah und warum es hier Indizien für eine gegen Prof. Stock gerichtete politische Intrige gibt.
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3. Ein Watchblog als Pranger, Markus Grill, SPIEGELblog, 07.03.2013
Markus Grill schreibt im SPIEGELblog: „Ich hatte im SPIEGEL und auf SPIEGEL ONLINE geschrieben, wie Stock Artikel im Online-Lexikon Wikipedia zu Gunsten des Pharmariesen Sanofi-Aventis umschrieb und später von Sanofi-Aventis als PR-Berater bezahlt wurde. Stock versuchte eine Gegendarstellung und verschiedene Unterlassungen gegen meine Artikel durchzusetzen, ließ diese Ansinnen aber wieder fallen bzw. scheiterte damit vor Gericht.“
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4. Wiki-Watch: Co-Initiator wirft Markus Grill Medienmanipulation vor. Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Stock, CAM Media.Watch
In diesem Interview (Teil 2) erläutert Prof. Stock, warum seine sechs Sanofi-Aventis betreffenden Wikipedia-Bearbeitungen Markus Grills rufschädigende Darstellungsweise nicht rechtfertigen und welches Motiv Markus Grill seiner Meinung nach hatte. Prof. Stock bewertet Grills Berichte als egoistisch motivierte Revanche für seine Beschwerde beim Presserat wegen des Artikels „Dünger für Krebszellen“. Diese Beschwerde erläutert und begründet er im Interview nochmals detailliert.

Markus Grill im SPIEGELblog
Was Markus Grill im SPIEGELblog berichtet hat, ist geschickt formuliert. Es hilft SPIEGEL-Lesern jedoch nicht dabei, sich ein vollständiges Bild von der Kontroverse zwischen Markus Grill und Prof. Stock zu machen. Aus Markus Grills Wortwahl im SPIEGELblog lässt sich insbesondere nicht ableiten, ob seine rufschädigenden Aussagen über Prof. Stock berechtigt, zutreffend und angemessen sind oder nicht.

Die Tatsache, dass weder eine Gegendarstellung noch eine Unterlassung gegen einen Artikel juristisch durchgesetzt werden kann, bedeutet noch lange nicht, dass der in diesem Artikel vermittelte Eindruck korrekt ist. Um das verständlich zu machen, muss ich ein wenig ausholen und Ihnen erläutern, woran man manipulative journalistische Berichterstattung erkennen kann.
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So funktioniert Medienmanipulation:
Werden Privatpersonen oder Unternehmen in den Medien zu Unrecht leicht oder sogar schwer rufschädigend dargestellt, so ist rein rechtlich zwischen falschen Tatsachenbehauptungen auf der einen Seite und einer „einseitigen und/oder verzerrten Darstellung von Fakten“ - laut Wikipedia ein Kennzeichen von Medienmanipulation - auf der anderen Seite zu unterscheiden.

Kein großes Problem: falsche Tatsachenbehauptungen
Gegen falsche Tatsachenbehauptungen können sich Mediengeschädigte leicht wehren. Wie so etwas geht, das zeigt Prof. Dr. Wolfgang Stock auf einer Webseite (10), die Unterlassungs- und Abschlusserklärungen von FAZ GmbH, Jörg Wittkewitz und Mario Sixtus zum Download zur Verfügung stellt. Werden solche Seiten juristisch sauber aufgesetzt, so entfalten sie eine erhebliche präventive Wirkung. Denn kein Journalist möchte bei einer Internetsuche nach seinem Namen mit Unterlassungs- und Abschlusserklärungen konfrontiert werden, die er unterschrieben hat.

Perfide: selektive und/oder verzerrte Darstellung von Fakten
Hinterhältig und perfide wird es, wenn Personen oder Unternehmen zu Unrecht in schwer rufschädigender Weise dargestellt werden, ohne dass Journalisten und Medien rechtlich dafür belangt werden können. Die entsprechenden Artikel können sogar weiterhin im Internet zur Lektüre angeboten werden, obwohl der Sachverhalt schon längst geklärt ist und obwohl die Vorwürfe entkräftet wurden. Journalisten und Medien stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen, ethisch und journalistisch unsauber zu arbeiten:

1. Selektion: Es werden einfach all jene Informationen weggelassen oder nur am Rande - leicht überlesbar - erwähnt, die zu Unrecht Beschuldigte entlasten, sie in ein gutes Licht stellen. Tatsächliche oder nur vermutete Kritikpunkte werden hingegen aufgebauscht. Auf diese Weise verwandeln sich Mücken spielend leicht in Elefanten. Wird darüber hinaus die Illusion einer journalistischen Auseinandersetzung vermittelt, so sind grob irreführende Darstellunngen nicht oder nur schwer juristisch angreifbar.

2. Manipulierte Verdächtigungen: Es werden rufschädigende Verdächtigungen ausgesprochen. Dabei ist nur zu beachten, dass die Spielregeln der Verdachtsberichterstattung eingehalten werden. Konstruierte Verdächtigungen wirken oftmals schon vorverurteilend, insbesondere dann, wenn sich befreundete Journalisten gegenseitig zitieren. Ob die Verdächtigungen berechtigt sind oder waren oder in rufschädigender Absicht konstruiert wurden, dass lässt sich juristisch nicht so einfach klären und ahnden.

3. Juristisch nicht angreifbare mehrdeutige Wertungen: Zur Königsdisziplin der Medienmanipulation gehört meines Erachtens die Verbreitung von Aussagen, die auf unkundige Leser wie belastende Tatsachenbehauptungen wirken, juristisch jedoch nicht beanstandet werden können, weil Begriffe mehrdeutig sind. Nachfolgend ein Beispiel, welches meiner Meinung nach in diese Kategorie gehört: Ein SPIEGEL ONLINE-Beitrag von Markus Grill enthält die Überschrift „Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia“. Juristisch unkundige Leser könnten das als Hinweis darauf deuten, dass hier ganz schlimme Dinge passiert sein müssen, denn sonst würde der SPIEGEL so etwas doch nicht verbreiten. Weil der Begriff  „Manipulation“ jedoch eine doppelte Bedeutung hat und auch ganz neutral für „Handhabung“ steht, gilt für Juristen auch eine regelkonforme, sinnvolle und gut belegte Bearbeitungen eines Wikipedia-Artikels als „Manipulation“ und lässt sich daher juristisch nicht ahnden.

4. Meinungswiedergabe: „Artikel 5 des Grundgesetzes sichert jedem das Recht zu, seine eigene Meinung frei auszusprechen und in Wort, Schrift und Bild zu verbreiten. Dieses Recht gilt selbstverständlich auch für Journalisten, wobei sie zusätzlich noch von der Pressefreiheit profitieren“ (10). Wollen Journalisten Personen oder Unternehmen in ein schlechts Licht stellen, ohne juristisch dafür belangt werden zu können, dann gibt es noch die Möglichkeit, Sachverhalte mit Meinungselementen zu versehen. Hierzu ein Beispiel: Unter einem SPIEGEL-Artikel von Markus Grill befindet sich der Teaser:

„Der Gründer von Wiki-Watch, Wolfgang Stock, wehrt sich“ ... Blablabla ... „Doch die Erklärungen des Professors wirken immer unglaubwürdiger (4)

Für viele Leser wird dieser SPIEGEL-Teaser so klingen, als ob Prof. Stock als Übeltäter ertappt oder sogar überführt worden sei. Frei nach der alten Volksweisheit: „Wer sich verteidigt, der klagt sich an“ oder „Wo Rauch ist, ist auch Feuer“. Juristisch betrachtet ist die Aussage, dass Prof. Stock angeblich „immer unglaubwürdiger“ wirken würde, jedoch nur eine erlaubte Meinungswiedergabe. Markus Grill behauptet es einfach, ohne seine Bewertungskriterien transparent zu machen. Dass die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) die „von diversen Medien“ erhobenen Vorwürfe geprüft und als „nachweislich falsch“ eingestuft hat (6), das erfahren Leser nicht, die heute ausschließlich Markus Grills drei bei SPIEGEL ONLINE veröffentlichte Artikel zur Kenntnis nehmen.

5. Totschlagargumente: Wikipedia definiert Totschlagargumente als „inhaltlich nahezu leere Argumente, also Scheinargumente, bloße Behauptungen oder Vorurteile ... Solche Phrasen sollen Widerspruch verhindern („totschlagen“) und können auch der Ablehnung oder der Herabsetzung der Gesprächspartner dienen ... Die fehlende Überzeugungsabsicht unterscheidet das Totschlagargument von einem Argument“. Totschlagargumente sollen in ein schlechtes Licht stellen (diskreditieren), vorverurteilen und gleichzeitig verhindern, dass Sachverhalte gewissenhanft geprüft und Argumente beider Seiten ausgetauscht werden. - Im Falle Wiki-Watch und Prof. Stock hat der Hinweis auf eine Beratertätigkeit für Sanofi-Aventis m. E. den Charakter eines Totschlagarguments, weil die Vorwürfe der Wikipedia-Manipulation (im Sinne von Schönfärberei, Täuschung, sachlich falsche Darstellung) zu Gunsten von Sanofi-Aventis nachweislich falsch sind, es nur ganz wenige Edits gab, Prof. Stock zum Zeitpunkt der Wikipedia-Edits keinen Beratervertrag hatte (erst später) und der Beratervertrag einen Unternehmensbereich von Sanofi-Aventis betraf, der mit den Wikipedia-Edits nichts zu tun hatte. Selektion  ist der große Bruder des Totschlagarguments . Totschlagargumente funktionieren nämlich nur, wenn die jeweils kritisierte Instanz keine Möglichkeit erhält, ihre Sicht angemessen transparent zu machen.


Nachträge:

6. Referieren über Delikte und Fehlverhalten: Siehe hierzu:
„Markus Grill über den Schönheits-Chirurgen Werner Mang. Faktencheck von Jürgen T. Widmer in der Schwäbischen Zeitung.“

Fazit:
1. Die Verfügbarkeit eines Medienbeitrags im Internet und die Tatsache, dass weder Unterlassungen noch Gegendarstellungen durchgesetzt werden konnten, sagt nichts über den Wahrheitsgehalt des in diesem Medienbeitrag vermittelten Eindrucks aus.

2. Unser heutiges Recht und Medienrecht bietet relativ große Freiräume, die genutzt werden können, um Personen oder Unternehmen zu Unrecht schwer rufschädigend darzustellen. Zum Beispiel durch Selektion von Informationen (Belastendes wird aufgebauscht, Entlastendes wird nicht erwähnt), durch unangemessene Verdächtigungen (die Spielregeln der Verdachtsberichterstattung bieten für diesen Zweck relativ viel Raum), durch Nutzung juristisch nicht angreifbarer abwertender Begriffe („Manipulation“ kann beispielsweise für Täuschung aber auch nur für Handhabung stehen), durch Meinungswiedergabe („Max Mayer wird immer unglaubwürdiger“ ist eine medienrechtlich zulässige Meinung, die nachweisbar falsch sein darf) und durch leere Totschlagargumente (Scheinargumente, die abwerten, vorverurteilen, jedoch - das ist wichtig - gerade nicht sorgfältig geprüft und diskutiert werden sollen).

Der Effekt von Faktencheck-Blogs
Die gute Nachricht lautet: In der Prä-Internetzeit war es schwer bis unmöglich, sich gegen unlautere journalistische Methoden zu wehren. Heute gibt es jedoch die Möglichkeit, Kontroversen und rufschädigende Behauptungen im Internet zu analysieren, zu dokumentieren und mit dem Namen der jeweils Verantwortlichen zu verknüpfen. Geschieht diese Aufarbeitung („Faktencheck“) ethisch korrekt, d.h. sorgfältig, angemessen und enthält sie nicht selbst manipulative Elemente, so strahlen journalistische und ethische Grenzverletzungen auf die Verursacher zurück. Das hat einen starken präventiven Effekt, von dem alle Journalistinnen und Journalisten profitieren, die ethisch sauber arbeiten.


Hier geht es zu Teil 2 des Faktenchecks ...

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Quellen:

(1) „Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia“, Markus Grill, SPIEGEL ONLINE, 08.07.2011

(2)  Zielkonflikt: Wikipedia-Autor arbeitet für Sanofi-Aventis, Michael Kröger, SPIEGEL ONLINE Netzwelt, 10.07.2011

(3) Pharmaindustrie – ‚Wir bleiben im Hintergrund‘“ (Print) - Pharmaindustrie: Ein PR-Agent schrieb bei Wikipedia Artikel zugunsten des Arzneimittel-Riesen Sanofi-Aventis um (Online), Markus Grill, DER SPIEGEL 28/2011, SPIEGEL ONLINE 11.07.2011

(4) Vorwurf der Pharma-PR – Wiki-Watch-Gründer gerät in Erklärungsnot, SPIEGEL ONLINE Netzwelt, Markus Grill, 15.07.2011

(5) Wiki-Watch-Leiter zieht sich zurück, Felix Knoke, SPIEGEL ONLINE Netzwelt, 09.09.2011

(6) Medieninformation Nr. 129-2011 der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Wiki-Watch organisiert sich neu, http://www.webcitation.org/6EqkXLsjE, 07.09.2011

(7) Gegendarstellung zum SPON-Beitrag vom 09.09.2011 von Felix Knoke, SPIEGEL ONLINE, 15.09.2011

(8) Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Stock. Über Wiki-Watch, Markus Grill und gewagte Verdachtsberichterstattung. (Teil 1 von 2), CAM Media.Watch, 03.09.2012

(9) Wiki-Watch: Co-Initiator wirft Markus Grill Medienmanipulation vor. Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Stock (Teil 2), CAM Media.Watch, 11.03.2013

(10) Wiki-Watch: Unterlassungserklärungen der FAZ GmbH und von Jörg Wittkewitz gegenüber Prof. Dr. Wolfgang Stock, http://www.convincet.de/Unterlassungen.htm
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