Freitag, 5. April 2013

Faktencheck: Markus Grills Behauptungen über Wolfgang Stock und Wiki-Watch auf dem Prüfstand. (Teil 2) #Medienmanipulation

„Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken“, lautete ein Slogan des Magazins Focus, als Helmut Markwort noch Chefredakteur war. Was im Mittelpunkt des Videos „Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia“ (SPIEGEL ONLINE, 08.07.2011) steht, ist nur schwer zu übersehen: Markus Grill, der triumphierende Enthüller. Hätte der SPIEGEL-Redakteur der Faktenprüfung ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie der Selbstinszenierung, dann hätte er sich und seinen Kollegen in der SPIEGEL-Redaktion den nun folgenden Faktencheck erspart.
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Markus Grill: Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia, DER SPIEGEL, SPIEGEL ONLINE
Grills Märchen: „Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia“. Ein Musterbeispiel für suggestive Sprache und verzerrende, manipulative Berichterstattung. - Grafik: © scusi - Fotolia.com
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Nachtrag vom 06.05.2013:
NEU: Indizien für eine vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit im Fall Prof. Wolfgang Stock. Markus Grill weicht allen fünf Fragen aus (!) und gerät so in große Erklärungsnot. 
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Chronologie
Es gibt in diesem Blog schon eine ganze Reihe von Beiträgen, die sich mit Markus Grills Berichterstattung über Prof. Wolfgang Stock beschäftigen, einsehbar über das Tag „Wolfgang Stock“. Hervorheben möchte ich insbesondere zwei Dokumentationen:

Vorgeschichte: VroniPlag, ein FAZ-Artikel und Indizien für eine politische Intrige
In diesem Beitrag erläutere ich, was unmittelbar vor den Medienberichten über Wiki-Watch und Prof. Wolfgang Stock geschah, welche Indizien für eine politische Intrige von Netzaktivisten aus der Wikipedia-Deutschland-Community sprechen und warum Markus Grills Berichterstattung (eine Woche nach einem FAZ-Artikel) auf einem Fundament steht, welches sich nach diversen Unterlassungs- und Abschlusserklärungen in Luft aufgelöst hat. Link zum Artikel ...

Medienmanipulation: verzerrt und doch legal
Markus Grill schreibt im SPIEGELblog

„Ich hatte im SPIEGEL und auf SPIEGEL ONLINE geschrieben, wie Stock Artikel im Online-Lexikon Wikipedia zu Gunsten des Pharmariesen Sanofi-Aventis umschrieb und später von Sanofi-Aventis als PR-Berater bezahlt wurde. Stock versuchte eine Gegendarstellung und verschiedene Unterlassungen gegen meine Artikel durchzusetzen, ließ diese Ansinnen aber wieder fallen bzw. scheiterte damit vor Gericht.“ 

In meinem Blogbeitrag erläutere ich, warum diese von Markus Grill gewählte Wortwahl geschickt ist, den SPIEGEL-Redakteur jedoch in keinster Weise entlastet. Meiner Meinung nach ist eher das Gegenteil der Fall: Markus Grill belastet sich selbst schwer, weil er Wolfgang Stocks Argumenten (-> Interview: Teil 1 und Teil 2) ausweicht, auf zentrale Aspekte nicht eingeht. Daraus schließe ich: Markus Grill ist inzwischen bewusst, dass sein Haus lichterloh brennt. - Link zum Artikel ...


Faktencheck: Grills Behauptungen im SPIEGEL ONLINE-Video. Was ist wahr?
Ab hier dreht sich nun alles um die SPIEGEL ONLINE-Seite „Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia“ und rufschädigende Behauptungen, die Markus Grill dort seit dem 08.07.2011 per Video verbreitet. Was ist wahr? Was ist nicht wahr? Überprüfen Sie Markus Grills und meine folgenden Aussagen gleichermaßen kritisch, lesen Sie, was Prof. Wolfgang Stock tatsächlich bei Wikipedia geschrieben hat und bilden Sie sich dann Ihre eigene Meinung.


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1. SPIEGEL ONLINE schreibt:

„Manipulation: Wolfgang Stock, die Pharmaindustrie und Wikipedia“ (Überschrift)

Diese Überschrift baut zunächst nur einen Erwartungshorizont auf. SPIEGEL ONLINE kündigt eine Geschichte über „die Pharmaindustrie“ und „Manipulation“ bei „Wikipedia“ durch „Wolfgang Stock“ an. Leichtgläubige SPIEGEL-Leser schließen möglicherweise allein aus dieser Überschrift, dass an der Sache dann ja wohl auch etwas dran sein muss. Denn sonst würde SPIEGEL ONLINE so etwas schließlich nicht schreiben. Und andere Medien haben ja auch berichtet. Benötigt es da überhaupt noch einen Beweis fragen sich vielleicht Kuno Haberbusch und Oliver Schröm sowie David Schraven und Arne Semsrott? Ja! „Wir“ sind nicht leichtgläubig und wollen zunächst die Fakten prüfen, bevor „wir“ uns eine Meinung bilden. Schließlich sind stigmatisierende Vorverurteilungen in Deutschland seit 1945 nicht mehr en vogue ... oder sollten es zumindest nicht sein.


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2. SPIEGEL ONLINE schreibt:

„... Zuvor aber schrieb er im Online-Lexikon Artikel zugunsten des Pharmariesen Sanofi-Aventis um.“ (Text unter dem Video)

Auch hier handelt es sich zunächst nur um eine Behauptung, die einen Erwartungshorizont aufbaut, jedoch nichts beweist.


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3. Markus Grill sagt:

„Das Problem ist nur, dass der Gründer von Wiki-Watch, nämlich Wolfgang Stock, ein Berliner PR- und Krisenberater, kurz zuvor selber Artikel in Wikipedia manipuliert hat - zugunsten der Pharmanindustrie.“ (Wortbeitrag im Video)

Diese Aussage von Markus Grill ist wie Punkt 1. und Punkt 2. nur eine Behauptung, die einen Erwartungshorizont aufbaut. Es wird nichts belegt, nichts dokumentiert und nichts bewiesen.


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4. Markus Grill sagt:

„Es gibt einen Benutzer, der hieß bis vor kurzem noch Wsto - also wie Wolfgang Stock - und der hat sich bis April 2009 überhaupt nie für Gesundheits- und Medizinfragen interessiert. Und dann plötzlich ganz viel.“ (Wortbeitrag im Video)

Diese Aussage ist nachweislich falsch. Der vermittelte Eindruck ist grob irreführend. Zunächst einmal erlaubt die QUANTITÄT von Wikipedia-Artikelbearbeitungen keine Rückschlüsse auf die QUALITÄT der jeweils erfolgten Edits. Ob ein Edit im Sinne von Schönfärberei, PR oder Täuschung einzuordnen ist, das lässt sich nur klären, wenn man den Inhalt des jeweiligen Edits und seine Qualität prüft. Aber selbst der von Markus Grill vermittelte Eindruck, die Anzahl der Artikelbearbeitungen ließe sich als Indiz für „Manipulation“ im Auftrag der „Pharmaindustrie“ interpretieren, hält einer Prüfung nicht stand. Schauen Sie selbst:

Quelle: Übersicht aller Wikipedia-Edits von Prof. Wolfgang Stock ...

Bereits am 5. Juni 2005 hat Prof. Wolfgang Stock den Artikel des britischen Chemikers und Pharmakologen Arthur Ernest Wilder-Smith bearbeitet und sich damit - entgegen der Behauptung von Markus Grill - schon vor dem April 2009 für ein Medizinthema interessiert (Beleg: Screenshot des Edits). Dies nur als Randnotiz. Entscheidend ist jedoch:

Es gibt von Prof. Wolfgang Stock insgesamt nur (!!!) 50 Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln zu Medizinthemen. Ein Edit fand am 05.06.2005 statt. Die restlichen 49 Edits fanden an folgenden nur zwölf (!!!)Tagen statt: 22.05.2009, 18.05.2009, 11.05.2009, 10.05.2009, 06.05.2009, 01.05.2009, 30.04.2009, 29.04.2009, 27.04.2009, 24.04.2009, 14.04.2009, 07.04.2009.

46 Prozent der Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln zu Medizinthemen durch Prof. Wolfgang Stock fanden allein am 14.04.2009 statt - d.h. an einem einzigen Tag.

„Homöopathische“ Manipulation: insgesamt nur 50 Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln zu Gesundheits- und Medizinthemen, davon 23 allein am 14. April 2009.


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Selbst wenn man - logisch nicht zulässig - von der Edit-Anzahl auf die Edit-Qualität schließen würde, dann ließe sich aus 50 Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln zu Medizinthemen nicht der Erwartungshorizont ableiten, den SPIEGEL ONLINE und Markus Grill gemäß Punkt 1., Punkt 2 und Punkt 3. aufgebaut haben. 50 Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln an 12 Tagen, davon 46 Prozent an nur einem Tag, repräsentieren eine „homöopathische“ Dosis und drängen in Hinblick auf die gigantische Show von Markus Grill, zu der noch zwei weitere SPIEGEL- bzw. SPIEGEL ONLINE-Artikel gehören (dieser und dieser), die Frage auf:  

Hat Markus Grill noch alle Tassen im Schrank?

Foto: © amenic181 - Fotolia.com



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5. Markus Grill sagt:

„... Wo er jetzt Kritik am IQWiG einfügt … dann sieht man auf der rechten Seite diese ganzen roten, ähhh, Bemerkungen ist alles jetzt Kritik, Kritik am IQWiG und seinem Leiter Peter Sawitzki.“ (Wortbeitrag im Video)

Was will uns Markus Grill hier mitteilen? Wie „wir“ unter Punkt 4. gelernt haben, hat Prof. Wolfgang Stock in seinem gesamten Leben insgesamt nur 50 Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln zu Medizinthemen vorgenommen, 46 Prozent davon an einem einzigen Tag, dem 14.04.2009. Am 14. April 2009, 08:33 Uhr  und am 14. April 2009, 09:17 Uhr fügte er in den Artikel von Peter Sawicki u.a. folgenden Hinweis und Link ein:

„Unter massive öffentliche Kritik geriet Sawicki Ende 2007 im Zusammenhang mit der zweifelhaften Auftragsvergabe des von ihm geleiteten Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Diese gingen zunächst an die Uni Graz, mit der Sawicki früher als Wissenschaftler zusammen gearbeitet hatte, und von dort weiter an das Institut für evidenzbasierte Medizin (DIeM) seiner Frau Ulrike Didjurgeit.“

FOCUS Magazin, Nr. 51, 2007
Mauschelei mit der Ehefrau?
http://www.focus.de/finanzen/news/arznei-bewertung-mauschelei-mit-der-ehefrau_aid_229820.html

Wo liegt hier das Problem, Herr Grill?

Prof. Wolfgang Stocks zwei Bearbeitungen des Wikipedia-Artikels „Peter Sawicki“ wären dann ein Problem, wenn sie Wikipedia-Grundprinzipien verletzen würden, nicht wahr wären, die Öffentlichkeit täuschen oder irreführen würden ... und wenn Markus Grill dies argumentativ belegen würde. Das macht er jedoch nicht. Er spricht einfach nur suggestiv von „Kritik, Kritik am IQWiG und seinem Leiter Peter Sawitzki“, ohne Prof. Stocks Kritik detailliert zu analysieren und auf ihren Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen.

Markus Grills Verweis auf Peter Sawicki ist insofern sehr problematisch, als es in seinem persönlichen Verhältnis zum früheren IQWiG-Chef Auffälligkeiten gibt, die ich in meinem Blogbeitrag „Schwarzweißmalerei und der Vorwurf des Günstlingsjournalismus, dokumentiert am Beispiel Peter Sawicki (ehemals IQWiG-Chef)“ zunächst nur kurz angerissen habe. Meiner Meinung nach gibt es starke Indizien dafür, dass Markus Grill während seiner Zeit bei Stern und SPIEGEL knallharten Lobbyismus und PR zugunsten von Peter Sawicki betrieben hat und in diesem Zusammenhang Sawicki-Kritiker wie Prof. Wolfgang Stock und Jobst Spengemann mit unlauteren Methoden aktiv bekämpfte. Es ist meine Absicht, diese ethische Großbaustelle in späteren Blogbeiträgen noch zu analysieren, beispielsweise nach Verkündung des Urteils im Grill-Spengemann-Prozess am 22. April 2013. Auch in diesem Rechtsstreit war Kritik an Peter Sawicki ja ein zentrales Thema.


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6. Markus Grill sagt:

„Stock hat insgesamt allein im April und Mai 2009 zehn Mal den Wikipedia-Eintrag zu Sanofi-Aventis geändert und über zwanzig Mal den Eintrag zu dem IQWiG.“ (Wortbeitrag im Video)

Auch diese Aussage ist nachweislich falsch und der vermittelte Eindruck ist grob irreführend. Durch das Wort „allein“ erweckt Markus Grill den falschen Eindruck, dass es neben den wenigen Bearbeitungen in den Monaten April und Mai noch weitere Sanofi betreffende Edits von Prof. Wolfgang Stock geben könnte. Das ist jedoch nicht der Fall.

Prof. Wolfgang Stock hat den Wikipedia-Artikel über Sanofi in seinem gesamten Leben nur 9-mal bearbeitet. Die zehnte Bearbeitung, von der Markus Grill spricht, betrifft eine Artikeldiskussion (siehe hierzu: „Diskussion:Sanofi“, 7. April 2009, 03:01 Uhr). Wer die Artikelübersicht von Benutzer Kan900 im Zeitraum April/Mai 2009 anschaut, wer ein wenig hoch- und herunterscrollt und wer über den Tastaturbefehl Strg+F nach „Sanofi“ sucht, der findet insgesamt nur neun Bearbeitungen des Wikipedia-Artikels „Sanofi“. Zu glauben, dass Markus Grill dieser Sachverhalt nicht aufgefallen ist, fällt mir sehr sehr schwer.

Analog zu Punkt 4. gilt weiterhin: Die QUANTITÄT von Wikipedia-Artikelbearbeitungen erlaubt keine Rückschlüsse auf die QUALITÄT der jeweils erfolgten Edits. Ob ein Edit im Sinne von Schönfärberei, PR oder Täuschung einzuordnen ist, das lässt sich nur klären, wenn man die jeweilige Artikelbearbeitung qualitativ prüft. Die nachfolgenden Links versetzen Sie in die Lage, genau diese Prüfung selbst vorzunehmen. Sie müssen weder Markus Grill noch mir irgendetwas glauben. Prüfen Sie selbst!

Edit Nr. 1:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=59001954
(Version vom 14. April 2009, 08:00 Uhr)
>>> Kategorie eingefügt, zwei kleine Formatierungen
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 2:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=59001940
(Version vom 14. April 2009, 07:58 Uhr)
 >>> interne Wikipedia-Verlinkung zu „Insulinanalogon“ gesetzt
 >>> Link zur Lantus-Zulassung durch die EMEA eingefügt:
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 3:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=59001882
(Version vom 14. April 2009, 07:53 Uhr)
>>> Einfügen der Grunlageninformation:
„Lantus ist das erste Insulinanalogon mit langer Wirkdauer. Es wurde im Juni 2000 von der EMEA [6] zugelassen, die Zulassung wurde 2006 verlängert.“
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 4:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=59001864
(Version vom 14. April 2009, 07:51 Uhr)
>>> Kategorie „Unternehmen Frankfurt am Main“ eingefügt
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 5:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=59001850
(Version vom 14. April 2009, 07:49 Uhr)
>>> Weblink zur Sanofi-Homepage eingefügt
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 6:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=59001384
(Version vom 14. April 2009, 06:59 Uhr)
>>> Text „in Deutschland mit 1.800 Mitarbeitern rund 600 Mio. Euro.“ in der Kategorie „Forschung“ eingefügt
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 7:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=59001355
(Version vom 14. April 2009, 06:56 Uhr)
>>> verschiedene Grundlageninformationen zum Unternehmen Sanofi (früher Sanofi-Aventis) eingefügt.
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 8:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=58763598
(Version vom 7. April 2009, 02:57 Uhr)
>>> „Überarbeiten“ entfernt
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen

Edit Nr. 9:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sanofi&diff=prev&oldid=58763597
(Version vom 7. April 2009, 02:57 Uhr)
>>> „Überarbeiten“ eingefügt
keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Änderungen


Fazit: Keine einzige der neun Bearbeitungen des Wikipedia-Artikels Sanofi (früher Sanofi-Aventis) enthält irgendwelche auffälligen Stellen oder Textelemente, die es erlauben würden, im umgangssprachlichen Sinne von „Manipulation“ zugunsten der „Pharmaindustrie“ zu sprechen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Weil es insgesamt nur neun Artikelbearbeitungen gibt und weil die Änderungen einen klassischen enzyklopädischen Charakter haben, springt die Unbedenklichkeit der Artikelbearbeitungen förmlich ins Auge.

Zu glauben, dass Markus Grill dieser Sachverhalt nicht aufgefallen ist, fällt mir sehr sehr schwer.


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7. Markus Grill sagt:

„Wie wir herausgefunden haben, wurde Stock tatsächlich von Sanofi Aventis auch bezahlt. Sanofi Aventis hat zugegeben, dass Stock seit Juli 2009 zu den Kommunikationsberatern des Konzerns gehört.“ (Wortbeitrag im Video)

Die Wortwahl „zugegeben“ ist im Kontext des Videos suggestiv und manipulativ, weil sie den falschen Eindruck erwecken kann, Sanofi hätte belastende Informationen verschwiegen und erst auf kritische Nachfrage hin „zugegeben“. Das ist jedoch nicht der Fall. Richtig ist, dass ein logischer Bezug zwischen Prof. Wolfgang Stocks Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln und seinem Beratervertrag mit Sanofi vollkommen fehlt, weil

- die Artikelbearbeitungen keine wahrheitswidrigen oder schönfärbenden Formulierungen enthalten und allesamt einen typischen enzyklopädischen Charakter haben,

- es in absoluten Zahlen nur 50 Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln zu Gesundheits- und Medizinthemen gibt,

- die wenigen inhaltlich unbedenklichen Bearbeitungen im April und Mai 2009 stattfanden, Stocks Beratervertrag mit Sanofi jedoch erst später abgeschlossen wurde und auch einen Unternehmensbereich betraf, der mit den Wikipedia-Artikeln nichts zu tun hat.

Meiner Meinung nach hat Markus Grill den Bezug zwischen Prof. Wolfgang Stocks Bearbeitungen von Wikipedia-Artikeln und seinem Beratervertrag mit Sanofi eingefügt, um eine „Story“ zu konstruieren, die bei nüchterner Betrachtung der Fakten keine „Story“ ist. Also benötigt es - so meine These - „schmückende Begleitinformationen, um das „Nichts“ etwas aufzupeppen.
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Screenshot: Sieht so heimliche Artikel-Manipulation aus? Seit 2005 ist in der Wikipedia-Community bekannt, dass Prof. Dr. Wolfgang Stock den Benutzernamen „Wsto“ hat. Deshalb wurde er in Wikipedia-Diskussionen auch mit seinem Namen angesprochen. Link zur abgebildeten Archivseite.

Hinzu kommt, dass Prof. Wolfgang Stock die Bearbeitungen unter seinem damaligen Benutzernamen „WSto“ vorgenommen hat und in der Wikipedia-Deutschland-Community seit 2005 bekannt ist, dass „WSto“für Wolfgang Stock steht. Die anonymen Verfasser des Internet-Pamphlets, welches die Medienberichte auslöste und höchstwahrscheinlich auch Markus Grill als Quelle diente, haben ihre Identität hingegen bis heute nicht preisgegeben.


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8. Markus Grill sagt:

„Stock unterhält in Berlin selber eine Krisen-PR-Agentur, die ähhh sehr geheimnistuerisch tut. Die sagt, wir arbeiten für Sie, aber wir verraten niemand, dass wir für Sie arbeiten. Wir machen das ganz geheim.“ (Wortbeitrag im Video)

Ich bewerte diese Worte als durchsichtige suggestive und manipulative Formulierungen, die meiner Meinung nach darauf hindeuten, dass Markus Grill nicht ergebnisoffen recherchiert und seinen Artikel stattdessen „vom Ende her“ konstruiert hat, dass die Fakten selbst zu wenig Belastendes hergaben und dass sich Markus Grill dieses „Problems“ durchaus bewusst war. Wäre es nicht so, dann hätte es vollkommen ausgereicht, auffällige oder belastende Wikipedia-Textpassagen von Prof. Wolfgang Stock einfach nur zu zitieren. Markus Grill geht jedoch auf Wikipedia-Texte von Prof. Wolfgang Stock nicht detailliert und analysierend ein. Das spricht Bände!

Der Originalwortlaut auf der Convincet-Webseite lautet übrigens:

„Auf unsere Vertraulichkeit können Sie sich verlassen, während unserer Zusammenarbeit und danach. Ob Dax30 oder Familienunternehmen: Wir sprechen nicht über unsere Kunden.“
Quelle: http://www.convincet.de/index.php/referenzen

Es ist grundsätzlich richtig, dass Kommunikationsdienstleister, die an „der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ arbeiten und Klienten „bei Ihrer Interessenvertretung im politisch-gesellschaftlichen Kontext“ unterstützen, oftmals einer Tätigkeit nachgehen, die auch mit dem Wort „Lobbyismus“ umschrieben wird. Ob ein Berater jedoch durch ethisches Fehlverhalten auffällt oder nicht, das lässt sich nicht daraus ableiten, dass er in der Öffentlichkeit nicht über seine Klienten spricht.

Zeitgemäße Krisen-PR ist übrigens insofern „ethisch korrekt“, als sie Transparenz schafft und gerade nicht verschleiert. Gibt es ein Problem, so raten erfahrene Beraterinnen und Berater dazu, nach dem Prinzip „Problem erkannt. Wir analysieren, dokumentieren und beheben es!“ zu kommunizieren und zu handeln. Und doch ist es aus nachvollziehbaren Gründen nicht üblich, sich bei solch einer Beratungstätigkeit öffentlich in die Karten schauen zu lassen.

Wenn Markus Grill und der SPIEGEL-Verlag das kritikwürdig finden, dann können sie ja gerne Neuland betreten, in eigener Sache Transparenz schaffen und das journalistische Fehlverhalten in den Fällen „Prof. Wolfgang Stock“ und „Jobst Spengemann“ öffentlich aufarbeiten - gerne mit Video, Artikel-Serie und viel Tamtam.


Fazit
Der von Markus Grill und SPIEGEL ONLINE in Hinblick auf Prof. Wolfgang Stock und angebliche Wikipedia-Manipulation für die Pharmaindustrie vermittelte Eindruck wird nicht durch Fakten gestützt. Er basiert ausschließlich auf suggestiven und manipulativen Darstellungen in Wort und Text.

Dieser Faktencheck bestätigt in Hinblick auf Markus Grill und SPIEGEL ONLINE exakt das, was die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) in ihrer Medieninformation Nr. 129-2011 bereits am 07.09.2011 bekanntgegeben hat:

„Die von diversen Medien gegenüber der Arbeitsstelle Wiki-Watch an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und ihren Mitarbeitern Wolfgang Stock, Maximilian Kall und Johannes Weberling erhobenen Vorwürfe sind nachweislich falsch.“
Quelle: http://www.webcitation.org/6EqkXLsjE

Markus Grill hat bisher nicht einmal ansatzweise versucht, die seiner gesamten Berichterstattung im Fall Prof. Wolfgang Stock und Wiki-Watch widersprechende Aussage der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) zu widerlegen. Auch das spricht Bände!

Unwidersprochen: Die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) bezichtigt indirekt auch Markus Grill der Falschinformation. Markus Grill hat der Uni bisher weder im Magazin DER SPIEGEL noch bei SPIEGEL ONLINE widersprochen. Honi soit qui mal y pense ...


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Das mögliche Motiv:
Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, welches Motiv Markus Grill gehabt haben könnte, Prof. Wolfgang Stock mittels suggestiver Formulierungen und manipulativer Darstellungen zu Unrecht in ein schlechtes Licht zu stellen. Prof. Wolfgang Stock sagte mir dazu in einem Interview:

„Markus Grills Motive sehe ich im gesamten Themenkomplex „Lantus“ bzw. „Insulin glargin“ und seinem persönlichen Verhältnis zum früheren IQWiG-Chef Peter Sawicki – seit der Zeit Grills in der STERN-Redaktion fehlt dieser Beziehung meiner Meinung nach die professionelle Distanz, die bei einem Journalisten und seiner Berichterstattung selbstverständlich sein sollte ...“

Link zum vollständigen Interview ...


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